Überschreitung der Überlassungshöchstdauer: BAG entscheidet zugunsten eines Leiharbeitnehmers
Einführung: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 1. Oktober 2024 in einem wegweisenden Urteil (9 AZR 270/23) entschieden, dass zwischen einem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher ein Arbeitsverhältnis entstanden ist, da die gesetzliche Überlassungshöchstdauer überschritten wurde. Das Urteil hat erhebliche Bedeutung für die Praxis der Arbeitnehmerüberlassung und die Auslegung von Tarifverträgen.
Sachverhalt:
Der Kläger war seit Mai 2010 als Leiharbeitnehmer bei verschiedenen Verleihern beschäftigt und wurde ab Juli 2018 an die Beklagte überlassen. Er war durchgängig bis März 2021 auf demselben Arbeitsplatz als Lagerarbeiter tätig. Die Beklagte argumentierte, dass tarifvertragliche Regelungen und eine Betriebsvereinbarung eine längere Überlassungsdauer ermöglichten. Der Kläger hingegen bestritt die Anwendbarkeit dieser Regelungen.
Rechtliche Probleme:
Zentrale Rechtsfrage war, ob die gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten gemäß § 1 Abs. 1b AÜG überschritten wurde und ob tarifvertragliche Regelungen bzw. eine Betriebsvereinbarung eine längere Überlassung rechtfertigten. Streitig war insbesondere, ob die Beklagte unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags zur Leih-/Zeitarbeit (TV LeiZ) fiel und ob die Betriebsvereinbarung wirksam auf Grundlage eines Tarifvertrags geschlossen wurde.
Entscheidung und Begründung:
Das BAG gab der Revision des Klägers statt und stellte fest, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Beklagte keinen Hilfs- oder Nebenbetrieb im Sinne des TV LeiZ unterhält. Daher finde der TV LeiZ und die darauf basierende Betriebsvereinbarung keine Anwendung. Die gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten sei somit überschritten worden, was zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten führte.
Auswirkungen:
Das Urteil verdeutlicht die Grenzen der tarifvertraglichen Verlängerung der Überlassungshöchstdauer und präzisiert die Anforderungen an die Einordnung als Hilfs- oder Nebenbetrieb. Es stärkt die Rechte von Leiharbeitnehmern und unterstreicht die Bedeutung der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer. Unternehmen müssen die Einordnung als Hilfs- oder Nebenbetrieb im Sinne des jeweiligen Tarifvertrags sorgfältig prüfen, um eine unzulässige Überschreitung der Überlassungshöchstdauer zu vermeiden.
Schlussfolgerung:
Das BAG-Urteil liefert wichtige Klarstellungen zur Anwendung des AÜG und zur Auslegung von Tarifverträgen in der Arbeitnehmerüberlassung. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung zu dieser Thematik weiterentwickelt und welche Auswirkungen das Urteil auf die Praxis der Arbeitnehmerüberlassung haben wird. Die Entscheidung des BAG unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung der Anwendbarkeit von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerüberlassung.
Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.10.2024 - 9 AZR 270/23